Wechsel, Wandel, Weitsicht

«Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen», könnte das Motto des Jahreslaufs der SRG -Trägerschaft in der deutschen Schweiz gelautet haben...hätte es denn so eines gegeben. Alles, was veranstaltet oder entschieden wurde, stand im Zeichen eines wie auch immer gearteten Blicks in die Zukunft.

Das Projekt «Publikumsrat 2024», das eine Arbeitsgruppe im Auftrag des Regionalvorstands erarbeitet hatte, ist so eine Art Blickfeld. Die Generalfrage, wie man die bisher bewährte Qualitätsarbeit des 26-köpfigen Publikumsrats im Kontext des neu aufgestellten Unternehmens SRF 2024 mit seiner gattungsspezifischen Struktur und seinem 4-Kräftemodell so aufstellen kann, dass der Publikumsrat einen prospektiven und relevanten Beitrag zur Programm- und Audience-Entwicklung beitragen kann, ist/war alles andere als ein Lapalie. An Ende der kontroversen und emotionalen Debatte in und zwischen den Gremien resultierte ein Konzept inklusive Zielsetzungen, Massnahmen und einer Agenda, in dem es u.a. heisst: «Der Publikumsrat vertritt durch seine Zusammensetzung möglichst viele Lebenswelten in der Deutschschweiz. Elemente wie Stadt oder Land, Einkommen, Bildung, Herkunft, politisches, Verständnis, Identität, Rollenverständnis, Beruf, soziales Engagement etc. sollen in geeigneter Form im Publikumsrat abgebildet sein. Mit dem neuen Organisationsmodell wird ein Paradigmenwechsel vollzogen: Der Publikumsrat versteht sich nicht mehr selber als «das Publikum», sondern als Bindeglied zwischen der Deutschschweizer Bevölkerung und SRF». Zu guter Letzt wurde mit einer Statutenrevision auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine gesetzeskonforme Umsetzung des Projekts beschlossen.

Die zahlreichen medienpolitischen Veranstaltungen der sechs Mitgliedgesellschaften zeugen nicht nur von gelebter Vielfalt in der Öffentlichkeit, sondern sie zollen auch dem Umstand Rechnung, dass der mediale Service public (leider!) nicht mehr vorbehaltlos zur conditio sine qua non in der Gesellschaft der Schweiz gehört. Die im Sommer lancierte «Halbierungsinitiative» lässt grüssen. Man darf aber durchaus feststellen, dass die SRG.D und ihre Gremien die Vorboten einer gefährdeten resp, «gefährlichen» Zukunft erkannt haben. Sie wissen mit Blick auf 2024 ff., was auf sie zukommt.

Aus den Gremien

Regionalrat und Regionalvorstand waren neben den üblichen Traktanden stark mit der Planung der Zukunft beschäftigt. Auf das Ende der Amtsperiode 2020-2023 musste ein neues Präsidium für die SRG.D berufen werden. Die Position wurde – nach einer Statutenanpassung im Frühling und gemäss der neuen «Checkliste Diversität» – als (Co)-Präsidium öffentlich ausgeschrieben. Nach einem gut strukturierten Prozess wählte der Regionalrat Andreas Häuptli (Bild) zum Nachfolger des langjährigen Präsidenten Andreas Schefer. Auch in den Mitgliedgesellschaften zeichnet sich ein Generationenwechsel ab. In der Zentralschweiz und in der Region Basel wurden neue Präsidien gewählt; gleiches wird bis in den Frühling auch in der SRG Aargau/Solothurn und in der SRG Zürich/Schaffhausen passieren.

Mitgliederzahlen

Ende 2022 zählte die SRG.D 16'430 Mitglieder. Ende 2023 waren es 16'526:

SRG Zürich Schaffhausen 5'952
SRG Bern Freiburg Wallis 3'085
SRG Region Basel 2'174
SRG Ostschweiz 1'226
SRG Zentralschweiz 2'503
SRG Aargau Solothurn 1'586
Total 16'526

Haltung zeigen und öffentlich Präsenz markieren!

Die «Arbeitsgruppe Zivilgesellschaftliche» Rolle im Rückblick (2009-2023)

Gründung & Auftrag

Im Nachzug zur Inkraftsetzung der revidierten Statuten der SRG SSR im Jahre 2008, die für die Trägerschaft der SRG neu eine tragende «Rolle in der Zivilgesellschaft» definierte, wurde im RV der SRG.D beschlossen, diese noch ungewohnte Aufgabe nach strategischen Massstäben zu organisieren,weil dieser Auftrag durchaus eine gesellschaftspolitische Dimension. Das Motto lautete: Vom nach innen orientierten Fanclub zur nach aussen fokussierten, medienpolitisch indizierten Stakeholdersorganisation. Unter Berücksichtigung, dass die neuen Meccanos zwischen den Gremien und den Unternehmenseinheiten Zeit brauchten, bis sie sich eingespielt haben werden und dass die Mitgliedgesellschaften der SRG.D noch eher traditionell aufgestellt waren, wurde eine mehrjährige thematische und organisatorische Planung beschlossen.

Der RV beauftragte Mitte 2009 eine Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung «Zivilgesellschaftliche Rolle» (AG ZGR) mit folgenden Zielen und Themen:

  1. Sichtbarmachen der Trägerschaft in der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit
  2. Sensibilisieren und Mobilisieren der Mitglieder und Gremien der SRG.
  3. Stärken der Kooperation der Mitgliedgesellschaften und der Geschäftsstelle unter Berücksichtigung der regionalen Eigen- und Gegebenheiten
  4. Stärkung der Koalitions- und Kooperationsfähigkeit mit Playern und Verbündeten ausserhalb der Trägerschaft

Die Wahl in die 7 bis 9-köpfige AG ZGR wurde nicht nach repräsentativ-regionalen Kriterien, sondern nach Kompetenzen, Kapazitäten und Erfahrungen von Personen definiert.

2010 legte die neu installierte AG ZGR dem RV «Blickwechsel – ein Dossier zur zivilgesellschaftlichen Rolle / 2011-2013» zur Genehmigung vor. Der RV genehmigte den Bericht und das damit verbundene Aktionsprogramm. Der RV akzeptierte auch, dass für die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Realisierung des Aktionsprogramms ZGR 2011 bis 2013 ein Mehrbedarf von CHF 195‘000 (2011 und 2012), bzw. CHF 200‘000 (2013) ins Budget der SRG.D eingestellt werden. Dieser Mehrbedarf wurde in den Antrag an die SRG SSR auf Mittelzuweisung für die SRG.D aufgenommen. Seither gibt es den Posten Zivilgesellschaftliche Aktivitäten offiziell im Budget der SRG.D.

Im Nachgang dazu entwickelten sich Programme und Projekte mit Innen- und Aussenwirkungen, es gab neue, aber auch neuartige Veranstaltungen mit Fokus auf medienpolitische Kompetenzsteigerung) auf regionaler und überregionaler Ebene, gemeinsame Mitgliederwerbekampagnen in Zusammenarbeit mit SRF wurden installiert, spezielle Anspruchsgruppen adressiert usw.

Höhepunkt der ersten Phase der Aktivitäten der AG ZGR war die publikumsträchtige Präsenz mit dem Labyrinth-Pavillon «Spiegel der Zeit» (Bild) an der OLMA in St. Gallen, der LUGA in Luzern, der muba in Basel und der BEA in Bern in den Jahren 2013 bis 2015.

In einer zweiten Phase ab 2017 – im Um- und Vorfeld der No-Billag-Kampagne wurde der Auftrag an die AG ZGR noch geschärft und an die gestiegenen medienpolitischen Herausforderungen angepasst. Die öffentliche Präsenz u.a. an regionalen/lokalen Märkten wurde initiiert, und auch die Erfindung der «Medientagsatzungen» – öffentliche Foren in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen aus den Bereichen Politik, Bildung, Kultur, Zivilgesellschaft – fiel in diese Zeit.

Mit zum Programm der AG ZGR gehörte auch die praktische und programmatische Gestaltung des Verhältnisses der Trägerschaft der SRG.D zum Unternehmen, die im Frühling 2022 in eine Partnerschaftsvereinbarung in den Bereichen Transformation, Kommunikation und Austausch mündete.

Chronik (Projekte, Programm und Publikationen)

  • 2012 Erste Mitglieder-Veranstaltung an den Solothurn Filmtagen zum Thema «pacte de l’audiovisuel»
  • 2013-15 Präsenz SRG.D mit dem Labyrinth-Pavillon «Spiegel der Schweiz» an der OLMA, der LUGA, der muba und der BEA
  • 2016 Erste Medientagsatzung zum Thema «Nah dran – weit weg? SRF vor Ort» in Winterthur mit Exekutiv-Exponenten:innen mittlerer Städte der deutschen Schweiz
  • 2017 Medientagsatzung im SRF-Sportstudio mit Vertretern:innen aus schweizerischen Sportvereinen und -verbänden zum Thema der gesellschaftlichen Bedeutung von Sport im Programm von SRF
  • 2017/18 Erstes Dossier «Brenn- und Treffpunkt Service public /Massnahmen und Aktivitäten 2017-2018»
  • 2018 Medientagsatzung zum Thema «Qualitätsanspruch im Kulturprogramm – was heisst das?» im Bourbaki-Zentrum Luzern
  • 2019 Medientagsatzung «Die trimediale Zukunft hat heute schon begonnen - ein Augenschein am neuen SRF-Standort in Basel»
  • 2021 Zweites Dossier «Wer, wenn nicht wir!? – Wofür wir einstehen» - 4 Handlungsfelder für die SRG.D: Diversität, Politik + Medien, Bildung und Zivilgesellschaftliche Organisationen
  • 2021-23 Planung und Umsetzung des Projekts DIVERSITÄT in der Trägerschaft mit einem mehrteiligen Web-Seminar, einer Grossveranstaltung in Partnerschaft mit SRF (Juni) sowie zwei Folders mit Handlungsmaximen
  • 2022 Partnerschaftsvereinbarung der SRG.D mit SRF in den Bereichen Transformation, Kommunikation und Austausch
  • 2022 Medientagsatzung zum Thema «Zivilgesellschaft und Service public ...und die SRG?» mit Next-Generation-Vertretern:innen von staatsbürgerlichen Organisationen aus der deutschen Schweiz im Stapferhaus in Lenzburg
  • 2022/23 Entwicklung eines neuen Narrativs für die Trägerschaft der SRG.D zur Plausibilisierung ihrer Rolle im medienpolitischen Kontext (in enger Zusammenarbeit mit Vertretern des ZS der SRG SSR und der GL SRF)

Fazit per Ende 2023

  • Das bessere Zusammenwirken der Trägerschaft der SRG.D mit dem Unternehmen SRF im Kontext der Fragen des zukünftigen medialen Service public sowie der Frage nach dem «Public Value» standen Fokus der neuen Trägerschaftstrategie der SRG SSR. Die AG ZGR musste dabei immer im Auge haben, dass die Bedürfnisse der Mitgliedgesellschaften, die Hierarchie der Gremien-Meccanos und die Programmfreiheit von SRF sehr unterschiedlich sind/waren und nicht forciert tangiert werden durften.
  • Das permanente «Controlling» durch den RV, aber auch der gestalterische Spielraum für die AG ZGR hat eine alles in allem erstaunliche und starke Performance für die Trägerschaft gebracht. Es konnte immer nach inhaltlichen und prioritären Gesichtspunkten gedacht und geplant werden; die «Repräsentanz» war sekundär.
  • Dafür konnte die Teilhabe am öffentlichen, medienpolitischen Diskurs in der deutschen Schweiz dank der Aktivitäten wahrnehmbar gesteigert werden.
  • Eine wie auch immer gelagerte resp. beauftragte «medienpolitische Taskforce» für die SRG.D macht mit Blick auf die absehbar bedrohliche Zuspitzung der Lage bezüglich medialem Service public (Halbierungsinitiative) aber auch aus Professionalisierungs-, Präsenz- und Effizienzanforderungen der Trägerschaft durchaus Sinn.

Bild: Bild Andreas Häuptli: Mirco Rederlechner Bild Spiegelbild der Schweiz: Thomas Züger


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